Michel Benedetti über Sinn und Unsinn der Geldanlage in diese vier Schwellenländer.

2012 wird ein schwieriges Jahr werden, denn die Europäische Union und die gebeutelte Unionswährung scheinen noch nicht das Licht des Tunnels erblickt zu haben. In diesem Zusammenhang ist es nicht erstaunlich, wenn Wirtschaftsexperten mit einer Rezession für den Euro-Raum rechnen. Dieser ökonomischen Schlechtwetterlage wird sich auch die Schweiz nicht entziehen können.

Mit solchen Hiobsbotschaften im Nacken entwickeln viele Anleger einen Vogel-Strauss-Reflex. Sie versenken ihren Kopf in den Sand, vergessen mal einstweilen ihr Portfolio und hoffen auf bessere Zeiten. Andere hingegen horchen auf die Sirenenklänge aus den aufstrebenden Märkten, im Finanzjargon auch „Emerging Markets“ genannt.

Tatsächlich wirkt schon allein das Wort wie ein Muntermacher und lässt viele ermüdete Investorenherzen höher schlagen. Zweistellige Wachstumsraten, sprudelnde Rohstoffquellen, in die Höhe spriessende Hochhäuser. Das gleicht den Mythen des sagenhaften Eldorados. Dieser hat schon vor etwa 500 Jahren spanische Conquistadores beflügelt, die mit einer Handvoll Soldaten das goldstrotzende Inkareich eroberten. Bekanntlich hat sich aber nicht Spanien, sondern das kühl kalkulierende englische Kaufmannsvolk zum globalen Herrscher emporgeschwungen.

Die Moral von der Geschichte: Gleich den coolen Briten sollte sich der Anleger bei Emerging Markets mehr auf Fakten und weniger aufs Träumen mit offenen Augen konzentrieren. Clevere Analysten haben vor etwa 10 Jahren die Wachstumsdynamik von Brasilien, Russland, China und Indien in dem griffigen Kürzel „BRIC“ zusammengefasst. Seit kurzem erlebt das Wörtchen eine Renaissance in den  Finanzkolumnen und Hochglanzprospekten der Fondsanbieter. Neben den BRIC-Fonds gibt es sogar einen Dow Jones BRIC Index, der die Wertentwicklung dieser Länder anschaulich machen soll.

Ich persönlich halte BRIC für ein überholtes Denkmuster, denn es wirft Länder in einen Topf, die sich im Laufe der Jahre ganz unterschiedlich entwickelt haben. Wer genauer hinguckt, stellt zum Beispiel fest, dass China absolut über ein weitaus höheres Wirtschaftswachstum als Indien verfügt und darüber hinaus noch über geringere Inflation. Vergleichen wir hingegen Russland mit Brasilien, dann tut sich die Schere erst recht auf. Die Fussballnation hat sich in den letzten Jahren durch eine geschickte Wirtschafts- und Aussenpolitik das lang erhoffte Investmentgrade der Ratingagenturen  ergattert, während sich Väterchen Russland eher schlecht als recht über Wasser hält.

Die offensichtlichen Gegensätze treten an den lokalen Börsen noch besser zu Tage. Während sich die brasilianische Börse Bovespa noch im Aufwärtstrend befindet, dümpeln der russische oder indische Leitindex eher lustlos vor sich hin. Fazit: BRIC ist immer noch gut für’s Marketing der Finanzhäuser, doch für Anleger sollte das gefährliche Sammelwort ein Stopp-Zeichen sein. Besser beraten ist derjenige, der in die einzelnen Länder oder Regionen investiert, denn das garantiert die beste Kontrolle.

Interessant ist auch die Spezialisierung in einzelnen Branchen, denn hier sind globale Trends oder strukturelle Veränderungen besser zu beobachten, und vor allem gibt es bessere Vergleichsmöglichkeiten innerhalb der Branche. Die Telekommunikationsbranche dürfte sich in Emerging Countries wie auch in Industriestaaten dank rasanten Technologiesprüngen und der Dominanz von Social Media – verglichen mit anderen Branchen – mit grösster Sicherheit überdurchschnittlich weiterentwickeln.

Konservative Anleger profitieren übrigens ebenso vom Wachstum der Emerging Markets, wenn sie in Schweizer Werte investieren, die in diesen Ländern bereits über eine starke Marktpräsenz verfügen.  ABB beispielsweise ist in verschiedenen Wachstumsmärkten (China, Indien) doch auch in den USA in der zukunftsgerichteten Energietechnologie engagiert.

 

Veröffentlicht am 19.01.2012. Michel Benedetti hier seine Meinung geschildert – und was ist Ihre Meinung dazu?

Über den Autor: Michel Benedetti ist freischaffender Journalist, Webtexter und Übersetzer mit Schwerpunkthemen Banken & Finanzen, ICT, Wirtschaft, E-Commerce, Soziale Medien; er lebt in Zürich und pendelt regelmässig nach Paris (mehr)