Michel Benedetti über die Wahlchancen von Barack Obama und Mitt Romney aus Sicht der Börsen.

In diesem Oktober kommt die US-Präsidentschaftswahl so richtig in Touren. Neben den politischen Kommentatoren und Journalisten verfolgen auch die Börsenhändler und Buchmacher diesen Wahlherbst mit besonderer Akribie. Jede Debatte, jedes Fernsehduell und jeder medialer Trumpf oder Ausrutscher wird an der Wall Street und in den Wettbüros ausgewertet.

 
Der Fernsehsender CNBC hat Anfang Oktober sogar zwei neue Aktien-Indices geschaffen. Der CNBC Romney und der CNBC Obama Index wiederspiegeln in ihrer Zusammensetzung solche Sektoren, die von einem Wahlsieg des jeweiligen Kandidaten profitieren könnten. In Romneys Aktienportfolio wurden deshalb die Aktien von Ölförder- und Rüstungsfirmen gelegt, auch Bankaktien sind darin vertreten. Obamas Portfolio umfasst vor allem Titel aus den Sektoren Gesundheit und alternative Energien.

 
Romney möchte mit der „grünen“ Energiepolitik seines Vorgängers brechen und zeigt sich in seiner Rhetorik kriegerischer als der amtierende Präsident, der bei geopolitischen Krisen bisher auf die diplomatische Karte gesetzt hat. Die Sympathie des Finanzsektors geht an den früheren Geschäftsmann und Investor Romney. Barack Obama hingegen hat das Treiben an der Wall Street immer mit Skepsis betrachtet und zeigt wenig Mitgefühl für die von der Finanzkrise stark gebeutelten Banken. Sein Herzblut möchte er viel lieber in seine Gesundheitsreform investieren. Diese sieht eine obligatorische Krankenversicherung für alle Amerikaner vor. Obwohl das Gesetz bereits verabschiedet ist, können die Republikaner ihm bei der Umsetzung noch viele Knüppel in die Füsse legen.

 
Nach dem ersten Fernsehduell der Kandidaten Anfang Oktober, bei dem ein angriffslustiger Romney auf einen eher müden und distanzierten Gegner traf, konnte der Romney Index einen Kursvorsprung von 0,7 Prozent verbuchen, während Obamas Index 2,7 Prozent einbüsste. Doch inzwischen hat Obama im zweiten medialen Wortgefecht wieder zu seinem alten Schwung zurückgefunden.  CNBC hat bis dato die neusten Zahlen der Indices nicht veröffentlicht.

 
Ein weiteres Indiz auf den Wahlausgang liefern so genannte Prognosemärkte. Dies sind virtuelle Handelsplattform, die auf die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses setzen, so in diesem Fall die Wiederwahl oder Abwahl des amtierenden US-Präsidenten. Je nach Plattform lassen sich darauf Wetten abschliessen oder Aktien handeln.

Laut dem Marktführer Intrade hat Obamas möglicher Wahlgewinn bisher einen doppelt so hohen Aktienpreis erreicht als die Aktien des Romney-Szenarios.

 
Schliesslich haben Finanzmarktstatistiken seit Anfang des 20. Jahrhunderts, mit ein paar wenigen Ausnahmen, klar gezeigt, dass eine Aktienrally vor dem Wahltag meistens in der Wiederwahl eines amtierenden Präsidenten resultiert, während eine Börsenbaisse den Gegner ins Weisse Haus gehievt hat. So gesehen deutet vieles darauf hin, dass Barack Obama seinen Wohnsitz noch weitere vier Jahre behält.

 
Veröffentlicht am 19.10.2012. Michel Benedetti hier seine Meinung geschildert – und was ist Ihre Meinung dazu?

Über den Autor: Michel Benedetti ist freischaffender Journalist, Webtexter und Übersetzer mit Schwerpunkthemen Banken & Finanzen, ICT, Wirtschaft, E-Commerce, Soziale Medien; er lebt in Zürich und pendelt regelmässig nach Paris (mehr)